Vor der Herausgabe: Der Garagist ist in der Informationspflicht

Fahrerlebnis oder Alptraum?

Vor der Herausgabe: Der Garagist ist in der Informationspflicht

5. Januar 2018 agvs-upsa.ch – Der Garagist gibt einem Kaufinteressierten im guten Glauben ein Fahrzeug zur Probefahrt heraus – der Kunde baut einen Unfall mit Sachschadenfolge. Doppeltes Pech, wenn der Lenker keinen gültigen Führerausweis besitzt. Wie sieht das nun versicherungstechnisch aus? Ralf Kühne-Schäfer, Leiter Flotten bei der Allianz Suisse, erklärt die wichtigsten Punkte rund um das Thema Probefahrten und Mietwagen.

Es ist unerlässlich, dass der Garagist den Kunden oder mögliche Kaufinteressenten über den bestehenden Versicherungsschutz des Fahrzeugs und die geltenden Selbstbehalte informiert. 

tki. Herr Kühne-Schäfer: Was muss ein Garagist vor der Herausgabe eines Fahrzeugs für eine Probefahrt respektive bei einem Mietfahrzeug beachten?
Ralf Kühne-Schäfer: Als Allererstes muss der Garagist natürlich darauf achten, dass der Kunde oder der Lenker des Fahrzeugs überhaupt berechtigt ist, das Fahrzeug zu nutzen. Das heisst: Er muss prüfen, ob der Kunde über einen entsprechenden Führerausweis verfügt. Dann gilt es, die Personalien aufzunehmen und den Zeitraum der Probefahrt beziehungsweise der Mietdauer festzulegen. Beide Seiten vereinbaren dies in einem Benutzungs-/Mietvertrag, der auch ein Zustandsprotokoll des Fahrzeugs beinhaltet. Damit werden böse Überraschungen bei der Rückgabe des Fahrzeugs vermieden, wenn es zum Beispiel bereits im Vorfeld Schäden am Fahrzeug gab.

Es herrscht also dringende Informationspflicht.
Genau. Es ist unerlässlich, dass der Garagist den Kunden oder mögliche Kaufinteressenten über den bestehenden Versicherungsschutz des Fahrzeugs und die geltenden Selbstbehalte informiert. Klare Regelungen verhindern bereits im Vorfeld Diskussionen, sollte es tatsächlich zu einem Schadenfall kommen.
 
Welche Strafe droht einem Garagisten, wenn er seiner Sorgfaltspflicht nicht oder nur ungenügend nachkommt?
Als Versicherungsgesellschaft sind wir ja keine Strafbehörde, insofern droht dem Garagisten von unserer Seite keine Strafe im klassischen Sinn. Allerdings können wir im Schadenfall bei schuldhafter Verletzung der gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften natürlich die Leistungen kürzen oder verweigern. Um ein Beispiel zu geben: Ein Kunde macht eine Probefahrt ohne gültigen Führerausweis und verursacht einen Unfall. Das führt bei der Kaskoversicherung dann zur Leistungsverweigerung seitens des Versicherers, in der Haftpflichtversicherung kann die Versicherung bei Schäden an Dritte Regress auf den Händler respektive die Garage nehmen. Es kann unter Umständen also ziemlich ins Geld gehen, wenn die Regelungen nicht beachtet werden.
 
Wann greift beim Thema «Probefahrten/Mietfahrzeuge» der ­Versicherungsschutz?
Grundsätzlich gilt: Bei der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht Versicherungsschutz, wenn das Fahrzeug mit einem gültigen Kontrollschild gefahren wird. Im Kaskofall besteht erst dann Versicherungsschutz, wenn entweder eine Kaskoversicherung für das Händlerschild oder für das fest eingelöste Fahrzeug (mit Einzel- oder Wechselschild) abgeschlossen wurde. Was unbedingt beachtet werden muss: Reine Mietfahrzeuge, deren Geschäftszweck ja die Erzielung von Mieteinnahmen ist, müssen der Versicherung als solche auch wirklich deklariert werden.

Das gilt in jedem Fall?
Es gibt auch andere Situationen, wie Probefahrten durch Mitarbeitende der Garage, zum Beispiel nach einem Service oder einer Reparatur. Hier bietet die obligatorische Betriebshaftpflichtversicherung Deckung für einen Haftpflichtschaden. Zu empfehlen ist, auch das Risiko eines Kaskoschadens an den Kundenfahrzeugen mit einer entsprechenden Zusatzversicherung zu versichern. Und auch zu bedenken: Hat das Kundenfahrzeug keine Kontrollschilder, sind für die Probefahrt nach dem Service Händlerschilder zu verwenden.
 
Wo hört der Versicherungsschutz auf?
Das ist ganz einfach zu beantworten: Es müssen stets die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen beachtet werden. Dann ist der Versicherungsschutz klar geregelt.
 
Wie geht die Versicherung während einer einer Probefahrt oder mit einem Mietfahrzeug verursachten Schaden vor?
In der Bearbeitung eines Schadenfalls gibt es da keine Unterschiede zwischen Demo-/Miet- und Privatfahrzeugen. Zuerst erfolgt die Schadenmeldung, dann prüfen wir, inwieweit der Schaden durch die Versicherungspolice gedeckt ist und die versicherte Person haftet. Anschliessend wird der Schaden reguliert. Wir setzen da im Sinne unserer Kunden auf eine schnelle und effiziente Bearbeitung der Schadenfälle.
 
Nimmt die Versicherung allenfalls Regress auf die Firma respektive den Fahrzeugherausgeber?
Wenn gesetzliche oder vertragliche Gründe vorliegen, kann der Versicherer vom Versicherungsnehmer oder Versicherten die erbrachten Leistungen aus der Haftpflichtversicherung teilweise oder ganz zurückfordern, also regressieren. In der Kaskoversicherung kann die Leistung zum Beispiel bei schuldhaftem Verhalten des Fahrzeughalters entweder gekürzt oder auf den Lenker regressiert werden, sollte dieser sich schuldhaft verhalten haben. Es kann bis zur Leistungsverweigerung führen, wenn man auf den entsprechenden Gesetzesartikel Via Secura blickt. Deshalb ist es ja so wichtig, dass die oben genannten Punkte sowohl vom Garagisten als auch vom Kunden beachtet werden. Alles bereits im Vorfeld zu regeln, kann im Schadenfall viele Diskussionen vermeiden.
 
Der AGVS bietet mit Vertragsvorlage Hand
Auf der Website des AGVS findet sich der Benutzungsvertrag für Probefahrten. Wichtig ist, dass sich der Ausleiher mit der Unterschrift auf diesem Formular gesetzlich verbindlich verpflichtet, das Fahrzeug selbst und ausschliesslich zur Probefahrt zu verwenden. Für unsorgfältigen Gebrauch des Fahrzeugs und für allfällige Beschädigungen haftet er vollumfänglich, sofern dafür nicht die Fahrzeugversicherung aufkommt (Selbstbehalt, Regress der Versicherung, et cetera).

Der Probefahrer stimmt ebenfalls zu, bei einem Unfall den Verleiher sofort zu benachrichtigen und ein Unfallprotokoll zu erstellen. Zudem muss der Lenker selbst grundsätzlich die Polizei benachrichtigen. Das Wichtigste: Der Ausleiher ist mit diesem Benutzungsvertrag für die Einhaltung der geltenden Strassenverkehrsvorschriften verantwortlich. Für allfällige Verkehrsvergehen wie Geschwindigkeitsüberschreitungen haftet der Ausleiher daher vollumfänglich selbst. Der AGVS rät dringend, dem Benutzungsvertrag immer eine Führerausweiskopie des Kunden anzuheften. Zudem muss der Garagist seine Leih-/Probefahrzeuge stets mit Unfallprotokollen bestücken. 

Der AGVS rät dringend, dem Benutzungsvertrag immer eine Führerausweiskopie des Kunden anzuheften. Zudem muss der Garagist seine Leih-/Probefahrzeuge stets mit Unfallprotokollen bestücken.
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