«Es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit»

Die ersten Fahrzeugrestauratoren

«Es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit»

23. April 2018 autoberufe.ch – Passender konnte die Umgebung nicht sein: In der Eventhalle der Emil Frey Classics AG in Safenwil ehrte der AGVS seine ersten Fahrzeugrestauratoren mit eidgenössischem Fachausweis. Acht Männer und zwei Frauen durften ihre Fachausweise entgegennehmen.
 

Impressionen vom Apéro in der Eventhalle der Emil Frey Classics AG.

sco. Schon der Blick auf den Parkplatz liess auf einen speziellen Anlass schliessen: Da stand ein wunderbarer alter Rolls Royce, wenige Meter entfernt glänzten die runden Formen eines Studebakers in der Frühlingssonne und gleich daneben war ein schnittiger AC 428 zu bewundern.
 
Am Ende des Lehrgangs seien einige Kolleginnen und Kollegen gefragt worden, wieso sie denn so gerne an Veteranenfahrzeugen arbeiten, erzählte Simon Jau, Klassenchef und Jahrgangsbester, vor den rund 70 Gästen und Angehörigen, die den Weg nach Safenwil gefunden hatten. Die Antworten seien meist sehr nüchtern ausgefallen: «Man kann mit logischem Denken Probleme lösen. Wenn es nicht zündet, liegt es am Funken und nicht an der Heckklappe, die nicht richtig schliesst...» Oder: «Nur Öl und Räder wechseln wurde zu eintönig.» Das sei zwar alles richtig, meinte Jau, ignoriere aber die Emotionen, welche die Kunden an ihre Schätze auf Rädern binden. «Ich hätte gesagt: ‹Weil es kein geileres Ansaugschnorcheln als von offenen Webervergasern gibt.› Oder: ‹Weil die Kraftentfaltung eines 7,4 Liter grossen V8-Aggregates einfach eine Gänsehaut erzeugt.›» Oldtimer seien Fahrzeuge mit Charakter und hätten Formen, die «zum Niederknien schön» seien, so Simon Jau in seiner Liebeserklärung an das alte Blech und die alte Technik.
 
«Mir sind Oldtimer viel sympathischer als moderne Autos», bestätigte Monika Steinmann (Bild rechts), eine der beiden frischgebackenen Fahrzeugrestauratorinnen. «Mich fasziniert diese Technik, bei der man jedes Detail sieht und spürt.» Sie sei schliesslich nicht Automobil-Mechatronikerin geworden, «um nur noch den Computer anzuschliessen». Monika Steinmann nennt einen Dodge Dart aus dem Jahr 1972 ihr Eigen – ein Langzeitprojekt: «Ich habe ihn als Ruine gekauft. Wann ich fertig bin, weiss ich noch nicht.»

Den Lehrgang zur Fahrzeugrestauratorin habe sie im Herbst 2015 angetreten, weil die Anzahl von Kunden mit Young- und Oldtimern stetig ansteige, sagte die Automobil-Mechatronikerin bei der Garage Auspuff Huber in Ittigen.
 
Kontinuierliches Wachstum
In der Tat wächst der Oldtimerbestand in der Schweiz kontinuierlich. Waren im Jahr 1991 erst knapp 20'000 Autos in der Schweiz älter als 30 Jahre, so stieg die Anzahl bis 2012 auf mehr als 70'000 Fahrzeuge. Thomas Valko, der Geschäftsführer der Emil Frey Classics AG, unterstrich in seinem Referat die Bedeutung des Lehrgangs zum Fahrzeugrestaurator: «Es ist eine grosse Herausforderung, dieses Wissen zu erhalten. Halbwissen führt bei Restaurationen oft zur Katastrophe.» Die Arbeit an Zeugen der automobilen Vergangenheit erfordere Geschick und Know-how. Es sei daher ein zentraler Punkt des Lehrgangs, die Qualität aufrechtzuerhalten, so Valko: «Es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit.»
 
Die Höhere Berufsbildung zum Fahrzeugrestaurator besteht aus drei Fachrichtungen: Automobiltechnik, Carrosseriespenglerei und Carrosserielackiererei. Die Interessengemeinschaft Fahrzeugrestauratoren Schweiz (IgFS), der AGVS und der Schweizerische Carrosserieverband (VSCI) haben sich zusammengeschlossen, um diese zweijährige Ausbildung anzubieten. Erst 2014 hatten die drei Verbände die Interessengemeinschaft Fahrzeugrestaurator (IGF) gegründet. «Urs Wernli, Zentralpräsident des AGVS, hat das Wort ergriffen und gesagt: ‹So, jetzt machen wir aber Nägel mit Köpfen und machen vorwärts›», erinnerte sich Christian Ackermann, Präsident der IgFS, im Gespräch mit Olivier Maeder, dem Bildungsverantwortlichen des AGVS, an die entscheidende Sitzung.


Olivier Maeder bei der Begrüssung der rund 70 Gäste und im Gespräch mit Absolvent Simon Jau.

Es sei nicht ganz einfach gewesen, diese drei Verbände zu koordinieren, stellte Beat Schmid fest, der als Berater im Bereich Berufsbildung dem IGF-Projektleiterteam angehörte: «Es war eine Herausforderung, drei Kulturen unter einen Hut zu bringen: Auf der einen Seite die IgFS als sehr junger Verband, auf der anderen Seite die traditionellen Verbände AGVS und VSCI.»

«Das kulturelle Erbe Oldtimer»
2014 wurde die IGF gegründet, im Herbst 2015 startete der erste Lehrgang und zweieinhalb Jahre später konnten nun die zehn Automobiltechnikerinnen und -techniker ihre Fachausweise entgegennehmen. «Mit ihrer Ausbildung, mit Ihren Fertigkeiten und Kenntnissen sorgen Sie für die Aufrechterhaltung des kulturellen Erbes namens Oldtimer», rief Charles-Albert Hediger, AGVS-Zentralvorstand und Präsident der Berufsbildungskommission, den erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen zu.

Mittlerweile läuft bereits der dritte Lehrgang in der Fachrichtung Automobiltechnik, am 13. Juli und am 6. September finden in Olten Informationsveranstaltungen für die vierte Ausgabe statt. «Wir sind sehr stolz auf diese tolle Entwicklung», freute sich Olivier Maeder, der sich im Namen der IGF und der AGVS-Geschäftsleitung auch bei Christian Collenberg, dem Präsidenten des IgFS-Gönnervereins, sowie bei allen Experten, Bildungspartnern und Ausbildungsbetrieben für die Unterstützung bedankte.
 
Man sei «etwas neidisch» auf den AGVS, gestand VSCI-Geschäftsführer Thomas Rentsch. Der VSCI führt derzeit den ersten Lehrgang für Carrosseriespengler durch, «leider nur mit fünf Teilnehmern». 2019 plane man, den ersten Lehrgang für Carrosserielackierer zu starten, sagte Rentsch und appellierte an die Anwesenden: «Wenn ihr Spengler und Lackierer mit einem Faible für Oldtimer kennt: Motiviert sie, diese Ausbildung in Angriff zu nehmen!»
 
Die Fachausweise erhielten die zehn Berufsleute im Fachbereich Autotechnik aus den Händen vom Präsidenten der Prüfungskommission (und AUTOINSIDE-Mitarbeiter) Bruno Sinzig. Er habe den Eindruck, die Prüfung sei fair gewesen. «Vielleicht waren es etwas viele Engländer», nahm Sinzig einen Kritikpunkt auf. Sicher keine Probleme mit den vielen Engländern hatte Georg Rösti, einer der zehn Absolventen. Der 34-Jährige arbeitet bei «Classic & Vintage Cars» in Spiez, einem Spezialisten für MG, Triumph, Jaguar, Aston Martin und andere, weniger bekannte Marken aus Britannien. Nach einer Lehre und mehreren Berufsjahren als Automechaniker hatte sich Georg Rösti aus der Branche verabschiedet und mehr als fünf Jahre im Maschinenbau gearbeitet. Über eine Bekannte, deren Mutter einen alten Triumph fährt, kam er in Kontakt mit «Classic & Vintage Cars» und Besitzer Franz Hatebur, der auch im Vorstand der IgFS sitzt. «Heute arbeite ich mehr und verdiene weniger als im Maschinenbau», stellte Georg Rösti klar. Aber: «Es ist super. Ich bin sehr glücklich.»
 
Die ausgezeichneten Fahrzeugrestauratorinnen und -restauratoren:

Fitzi Christian, Niederteufen AR
Greminger Prisca, Winterthur
Jau Simon, Boll BE
Jucker Philipp, Riedt-Neerach ZH
Morina Mergim, Eglisau ZH
Rösti Georg, Thun
Schmid Anton, Oberrohrdorf AG
Schmid Markus, Zuchwil SO
Steinmann Monika, Rüegsauschachen BE
Wüthrich Tobias, Sisseln AG

 
 
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