Die Vergangenheit in die Zukunft befördern

Ein Herz für Oldtimer

Die Vergangenheit in die Zukunft befördern

22. April 2024 agvs-upsa.ch – ​Samantha Loup ist die einzige weibliche Kandidatin, die den ersten französischsprachigen Lehrgang «Fahrzeugrestaurator:in mit eidg. Fachausweis» absolviert hat. Die 29-Jährige wünscht sich eine Zukunft für Verbrenner und eines Tages ausschliesslich an Oldtimern arbeiten zu können. Ilir Pinto


Samantha Loup mit ihrem Peugeot 404 (Baujahr 1964) bei einem Treffen zum Motto «Hippies der 60er Jahre» am 9. Juli 2018 in Bois-d’Amont (F). Foto: zvg

Das Ziel der Restauration eines Oldtimers besteht nicht nur darin, ihn funktionsfähig und fahrbereit zu machen, sondern auch darin, ihn in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen und dabei seine historische Authentizität zu bewahren. Dementsprechend sieht sich Samantha Loup als Bewahrerin der Vergangenheit. Die Arbeit an einem Oldtimer sei geprägt von einem ständigen Abwägen, wobei jeder Fall einzeln zu betrachten ist. «Die Patina eines Autos ist zum Beispiel sehr wichtig und muss erhalten bleiben», erklärt sie. Es komme jedoch auf die Art der Abnutzung an: Ist sie beispielsweise auf eine schlechte Pflege zurückzuführen und gefährdet die Struktur des Fahrzeugs, ist eine sorgfältige Restauration notwendig.

In solchen Fällen ist es wichtig, die Balance zwischen der Bewahrung historischer Aspekte und der Wiederherstellung der Fahrtauglichkeit zu finden. Wenn es Spuren des normalen Gebrauchs sind, die dem Fahrzeug Charakter und Authentizität verleihen, sollte die Patina in der Regel erhalten bleiben. Diese natürlichen Abnutzungserscheinungen sind Teil des einzigartigen Charmes eines Oldtimers und erzählen seine Geschichte.

«Ich stelle mir gerne die Geschichte des Fahrzeugs vor, an dem ich arbeite», erklärt Samantha Loup. Jedes Mal finden sich an und in dem Fahrzeug Gebrauchsspuren aus der Vergangenheit. Manchmal habe sie sogar die Gelegenheit, sich mehr als nur etwas vorzustellen und könne Nachforschungen anstellen. So wie das eine Mal, als sie Fotos von der ersten Besitzerin eines Autos gefunden habe.

So etwas gelinge ihr jeweils, indem sie sich bei Käufern und Strassenverkehrsämtern erkundigt, Informationen aus Fahrzeugausweisen sowie aus einer Genealogie Website einbezieht. «Es ist wie Detektivarbeit», sagt Samantha Loup und lacht. Bei einem ihrer eigenen Autos, einem Peugeot 404 aus dem Jahr 1964, habe sie zum Beispiel die Person ausfindig gemacht, die das Auto 1995, ihrem Geburtsjahr, neu lackiert hat.

Ein Auto für jedes Hobby
Der 404 ist ihr Oldtimer, der nur im Sommer gefahren wird. Den Rest des Jahres fährt sie ein Alltagsauto, einen Subaru Impreza. Und da sie ab und zu gerne an Slalomrennen teilnimmt, besitzt sie ausserdem einen Peugeot 206 RC. Samantha Loup besitzt zwar drei Autos darunter zwei Fahrzeuge, die älter als 20 Jahre sind, aber sie seien nicht besonders teuer. «Für mich zählt nicht der monetäre Wert, sondern der Spass, den man damit hat und die Geschichte, die man damit erzählt», sagt sie.

«2012 habe ich zum allerersten Mal an einem Oldtimer gearbeitet, einem Peugeot 304 Coupé S aus den 1970er Jahren», erzählt die junge Frau. Später, während ihrer Lehre zur Automemechanikerin in der Garage Bandieri in Bassins, habe sie ebenfalls die Gelegenheit gehabt, an einigen Oldtimern zu arbeiten. Bereits während ihrer Lehre habe sie von Roland Bandieri, einem ihrer Chefs, erfahren, dass man an einer Ausbildung für die Restauration von Oldtimern arbeite und diese später in der Westschweiz anbieten würde.

Als Samantha Loup davon erfuhr, habe sie sofort den Wunsch geäussert, die Ausbildung in Zukunft zu absolvieren. «Ich habe sechs Jahre darauf gewartet, dass diese Ausbildung angeboten wird», erzählt sie. Und sie hielt Wort: 2021 nahm sie den ersten französischsprachigen Lehrgang «Fahrzeugrestaurator:in mit eidg. Fachausweis» in Angriff.

Während ihrer zweieinhalbjährigen Ausbildung habe Samantha Loup viele Oldtimer-Fans kennengelernt und ein gutes Netzwerk aufgebaut. «Die Welt der Oldtimer ist klein, manchmal kontaktieren mich Kunden, weil sie gehört haben, dass ich ein besonderes Interesse an alten Peugeots habe», erklärt sie.


Samantha Loup stellt sich gerne die Geschichte eines Oldtimers vor, an dem sie arbeitet. Foto: AGVS-Medien

Wertvolles Wissen vermittelt
Der Unterricht fand während fast zwei Jahren in Freiburg, Genf und Yverdon statt. Samantha Loup sei sehr zufrieden mit den Lehrern, und Lehrmaterial habe ihr und ihren Mitschülern wertvolles Wissen vermittelt, zum Beispiel über Mechanismen und Techniken aus früheren Zeiten, die sonst schwer zu finden gewesen wären. Und obwohl sie vor der Ausbildung oft an Oldtimern gearbeitet hatte, habe sie viel über Autos lernen können, die sie noch nicht zu Gesicht bekommen hat.

Doch diese Zeit war nicht nur inspirierend, sondern auch anstrengend. «Oft habe ich auch die Wochenenden damit verbracht, für die Schule zu arbeiten», sagt Samantha Loup, die während der Weiterbildung 90 Prozent arbeiten konnte. In den letzten Wochen und Monaten vor der Prüfung gab es keinen Unterricht mehr, aber es war trotzdem hart. Samantha Loup erklärt: «Für das Diplom mussten wir eine grosse Arbeit schreiben, während wir auch für die Prüfung lernen mussten. Diese Arbeit plus die dazugehörige Präsentation bilden zusammen einen Teil der vierteiligen Abschlussprüfung.

Für ihre Abschlussarbeit arbeitete Samantha Loup an einem Renault 4CV aus dem Jahr 1958, den ihr eine Kundin zur Verfügung gestellt hatte. Sie beseitigte unter anderem mehrere Öllecks, wechselte Gummiteile aus, überholte Kühler und Vergaser und bereitete den Veteranenwagen für die nächste MFK vor.

Keine doofen Sprüche
Ihre Mitschüler, «alles richtig tolle Typen», waren zwischen 19 und 55 Jahre alt; Samantha Loup war die einzige Frau unter ihnen. Während dieser Zeit habe sie nie gegen Vorurteile aufgrund ihres Geschlechts kämpfen müssen. Dies sei nur während ihrer Lehre der Fall gewesen. «Die Integration von Frauen in ein männliches Umfeld ist nicht immer einfach, das hängt von der Mentalität und auch vom familiären Hintergrund ab, in dem die Leute aufgewachsen sind», sagt sie.

Sie hat eine Botschaft für Frauen, die sich nicht sicher sind, ob sie eine Karriere in der aufregenden Welt der Autoberufe anstreben sollen. «Egal, was manche Leute sagen: Glaubt nicht, dass ihr es nicht könnt! Man kann alles lernen, wenn man die richtige Person hat, die einen ausbildet», sagt sie. Letztendlich sei sie der Meinung, dass die Perspektiven beider Geschlechter ein gutes Gleichgewicht in ein Unternehmen bringen können.

Samantha Loup arbeitet bei der Risoud Automobiles Sàrl in Le Brassus, einer Nissan- und Subaru-Vertreterin, wo sie seit Beginn ihrer Weiterbildung häufiger mit Veteranenfahrzeugen zu tun hat. «Ich hoffe, dass ich eines Tages nur noch mit Oldtimern arbeiten werde», sagt sie. Das älteste Auto, das die Liebhaberin historischer Fahrzeuge je angefasst hat, sei 1916 gebaut worden.


Beim Kurs über Vergaser in Freiburg mit der Hälfte der Klasse des ersten französischsprachigen Lehrgangs «Fahrzeugrestaurator:in mit eidg. Fachausweis» und den beiden Lehrern (23. März 2022). Foto: zvg

Ein gebrochenes Herz
Ihre Lieblingsautos sind die Allerältesten, «als die Erfinder noch Dinge ausprobierten, die es noch nicht gab». Aber sie möge auch Autos aus den 1960er Jahren. Sie erzählt, wie ein Kunde mit einem Jaguar Mark II zu ihr kam: «Das Auto war nach einem Unfall so stark beschädigt, dass eine Reparatur viel mehr gekostet hätte, als der Wert des Fahrzeugs war.» Der Kunde habe sich daher entschlossen, das Fahrzeug zu verkaufen. «Es war traurig, es gehen zu sehen», sagt Samantha Loup.

Bei einer solchen Leidenschaft für die Vergangenheit ist es kaum verwunderlich, dass Samantha Loup nicht von Elektroautos schwärmt. Als leidenschaftliche Autofahrerin würden ihr die Emotionen fehlen, die ein Verbrenner auslöst. «Ausserdem sehe ich die Zukunft des Autos nicht beim vollelektrischen Antrieb», sagt sie. «Ich denke, dass es im Moment umweltfreundlicher ist, ein bestehendes Fahrzeug zu erhalten, anstatt ein neues zu bauen.»

Sie fügt an: «Wenn fossile Brennstoffe in Zukunft verboten werden, hoffe ich, dass wir mit E-Fuels unsere alten Fahrzeuge weiterfahren können.» Und wenn E-Fuels nicht die Kraftstoffe der Zukunft sind? In diesem Fall würde Samantha Loup als letztes Mittel lieber einen Oldtimer fahren, bei dem der Verbrennungsmotor durch einen Elektromotor ersetzt wurde, als gar keinen. Dies zeigt, wie sehr sie Oldtimer liebt.
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Kommentare


Fritz Vogel 23. April 2024 - 10:15
Einfach genial, dass sich junge für Oldtimer begeistern und mit Freude und Herzblut diese Fahrzeuge erhalten. Wir suchen für unseren Oldtimer-Betrieb solche Fachkräfte. Hat jemand Interesse? Wäre super wenn wir auf diesem Weg eine Fachkraft finden würden. Auto Vogel & Partner AG, Rothenburg.