Wie aus einer Notlösung der Job ihres Lebens wurde

Frauen im Portrait

Wie aus einer Notlösung der Job ihres Lebens wurde

15. August agvs-upsa.ch – Eine Frau, die auch über Ersatzteile Bescheid weiss? Noch immer wird Mitarbeiterinnen in der Automobilbranche einiges nicht zugetraut. Um gesehen zu werden, braucht es Zeit und manchmal auch das Vertrauen des eigenen Vorgesetzten. Das zeigt sich am Beispiel von Kathrin Hilfiker. Sie beschritt ihren Weg an die Spitze in der Luginbühl Fahrzeugtechnik AG.  

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Eine Frau mit Lastwagen-Führerschein, Kathrin Hilfiker, Mitinhaberin Luginbühl Fahrzeugtechnik AG. Foto: AGVS-Medien 

cym. Auf den ersten Blick scheint es paradox: Obwohl sich bekanntlich weniger Frauen als Männer für eine Laufbahn in der Automobilbranche entscheiden, dauert es viel länger, bis man als Frau wahrgenommen wird. Diese Erkenntnis gewann auch Kathrin Hilfiker, Mitglied der Geschäftsleitung der Luginbühl Fahrzeugtechnik AG. Nach 27 Jahren Erfahrung in der Branche sagt sie: «Wir Frauen müssen sicher mehr strampeln, um an der Oberfläche zu bleiben. Es sei keine Benachteiligung, die man erfahre, es sei viel mehr, dass es das Gegenüber nicht erwarte. Manchmal zeigt sich das subtil, manchmal offensichtlich. Von der ersten Person, die einen Anruf entgegennimmt, eine kompetente Auskunft zu erhalten, oder dass bei ihr direkt eine Ersatzteilbestellung platziert werden könne, erstaune den Gesprächspartner immer wieder. «Wir setzen uns im Büro mit den Produkten auseinander und kennen sie nicht nur auf dem Papier.»

Als Hilfiker 1995 ins Familienunternehmen der Luginbühls einstieg, sei das für sie eine Notlösung gewesen. «Ich kannte mich in dieser Welt überhaupt nicht aus und hatte schon gar nicht vor, länger zu bleiben», sagt sie. Nach der KV-Ausbildung bei einem Notar und zwei Jahren bei einer Immobilienverwaltung sei es die zweite Stelle gewesen, die sie angetreten habe. «Ich wollte bleiben, bis ich etwas anderes finde.» Auch schwebte ihr als junge Frau eher der klassische Weg vor: Familiengründung, Teilzeitstelle. Aber es kam ganz anders. Heute leitet sie die Firma gemeinsam mit Erhard Luginbühl. Sie besitzt Anteile am Aargauer Unternehmen, das stetig wächst und sich erfolgreich am Markt positioniert. Das Team ist auf 20 Mitarbeitende angestiegen. «Für mich ist dieses Unternehmen damit ein Stück Familie und mit sehr viel Herzblut verbunden», sagt sie. Erhard Luginbühl sei ihr Mentor gewesen. «Ohne ihn würde ich heute nicht hier stehen», betont die 49-Jährige. Besonders sein Vertrauen habe viel zu ihrer Entwicklung beigetragen und sie sei mit dem Betrieb gewachsen. Erhard Luginbühl, Präsident der SAA, übernahm die Leitung von seinen Eltern im Jahr 2002. Sie würden sich perfekt ergänzen und der Umgang sei von gegenseitigem Respekt und Offenheit geprägt.

Hilfikers Weg an die Spitze zeigt auch, dass nicht nur das Interesse an der Mobilität, der Technik oder an den Fahrzeugen entscheidend ist, um in der Branche Fuss zu fassen. Denn bei ihr war das zu Beginn nicht der Fall. «Eine gewisse Affinität ist sicher nicht schlecht, aber bei mir kam die Faszination mit der Arbeit.» 

Heute könne sie sich bei Werkstattausrüstungen über technische Funktionalitäten, verpackt in ansprechendem Design freuen oder empfinde Stolz, wenn sie eine von der Luginbühl AG eingerichtete Werkstatt betrete. Die Bereitschaft zu lernen und die Leidenschaft für die tägliche Arbeit seien entscheidend. Manchmal brauche es eine dicke Haut, weil der Umgang rau sein könne. Aber während sie sich im Verkauf oder in der Werkstatt durchaus mehr Frauen wünsche, sei es umgekehrt so, dass sich auf einen Sachbearbeiter-Job im Büro nur selten ein Mann bewerbe. Hilfiker ist aber überzeugt: Die Schere geht mit der heranwachsenden Generation zu. Das zeigt sich etwa daran, dass sich auch die starren Berufsbezeichnungen und die dazugehörigen stereotypischen Zuweisungen in männliche oder weibliche Berufe auflösen. Die Automobilbranche sei noch immer eine von Männern dominierte Welt, aber die Situation habe sich auch schon in den letzten Jahren verbessert. «Ich nehme immer mehr Frauen wahr, die in der Branche Fuss fassen.»
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